Was der deutsche Volksmund übers Tanzen sagt... (06.06.2018)

Was sagt der deutsche Volksmund eigentlich übers „Tanzen“?
Das Wort Tanzen mal etymologisch (vom altfranzösischen danse) und germanistisch zu erforschen, hatte ich mir schon länger vorgenommen, denn mir war etwas aufgefallen: gerade wir Deutschen und unser Sprachgebrauch, egal ob Sprichwörter oder Redewendungen, verwenden das Wort Tanzen zwar oft, aber zum Großteil doch in Verbindung mit etwas Negativem. Jedenfalls war das vorrangig in der Vergangenheit so. Ich frage mich also, welche Redewendungen es mit dem Wort Tanzen gibt, und in welcher Bedeutung sie verwendet wurden und wie das heute noch ist. Bei Facebook bat ich viele Tanzenden um Hilfe und dort war das Feedback sehr umfangreich, weshalb ich mich traue, auch eine kleine Prognose für die Gegenwart zu äußern.
Was also die deutsche Sprache aus dem Wort Tanzen macht, das ist eine kleine Erkundung wert, die ich in den letzten Wochen immer wieder verfolgt habe und dabei bin ich zu nicht ganz schönen Ergebnissen gekommen. Ich konzentriere mich dabei wirklich nur auf Redewendungen und Sprichwörter, nicht auf Zitate von Schriftstellern und Philosophen, denn damit wäre das Feld zu weit gesteckt und so bleibe ich doch beim Volksmund.
Was sind also typische und oft verwendete Redewendungen und Sprichwörter, die der Deutsche so kennt und verwendet? Hier eine Liste der gängigsten Formulierungen, die nicht den Anspruch auf absolute Vollständigkeit hat mit der entsprechenden Deutung.
Im Anschluss möchte ich die Frage beantworten, warum wir Tanzen in so vielen verschiedenen Zusammenhängen verwenden…
- nicht auf zwei / allen Hochzeiten (gleichzeitig) tanzen können
→ nicht zwei / viele Dinge auf einmal bewältigen können
- aus der Reihe tanzen
→ etwas Ungewöhnliches tun; sich nicht an die Absprachen halten; sich anders verhalten als die Mehrheit
- den Ententanz tanzen
→ sich blamieren, sich bloßstellen, vor anderen einen schlechten Eindruck machen
- Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch; Ist die Katz aus dem Haus, rührt sich die Maus; Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse
→ Sobald der Aufpasser nicht da ist, entsteht Unruhe; Ist der Herrscher weg, entsteht Freude; Wenn keine Aufsicht da ist, macht jeder, was er will
- jemandem auf der Nase herumtanzen
→ jemanden nicht gehorchen, ihn ständig für deine Zwecke einspannen, machen was man will, egal was der andere sagt, zumeist kann der andere sich nicht entsprechend durchsetzen
- nach jemandes Pfeife tanzen
→ "Vor über 500 Jahren , als an den Königs- und Fürstenhöfen der Renaissance Tanz so beliebt war, dass er zur Grunderziehung der jungen Adligen gehörte, brauchte es erfahrene Lehrer: die Tanzmeister. Sie lehrten die komplizierten Schrittfolgen und dachten sich auch stets neue Tänze und Schritte aus. Da der Tanzmeister nie ohne Instrument auftrat und immer die nächste Schrittfolge ankündigte, befolgten alle seine Ansagen und tanzten eben nach seiner Pfeife." (aus: Was ist Was Band 137: Tanz - immer im Takt, S. 9)
jemandem gehorchen/folgen, parieren, sich jemandem fügen Herkunft: Vermutlich steht diese Redewendung in der Entstehung in Bezug zur Tanzmusik. Tänzer richten sich auch nach der Musik, in der Pfeifen oder Flöten eine wichtige Rolle spielen. Wie auch die Geige, weswegen es auch heißt, „nach jemandes Geige tanzen“.
- um das Goldene Kalb tanzen
→ nach Geld gieren, etwas Materielles verehren, Reichtum als einzigen Lebenszweck ansehen
- jemandem tanzen die Sterne vor Augen
→ jemand ist k.o.; jemand ist benommen
- Wenn es dem Esel zu wohl ist / wird, geht er aufs Eis (tanzen)
→ Wenn es jemanden zu gut geht, riskiert er noch mehr und wird leichtsinnig bzw. übermütig; Durch Übermut kann man leicht zu Schaden kommen
- bis in die Puppen tanzen
→ Bis in die Puppen ist eine ursprünglich aus Berlin stammende Redewendung um einige Statuen: Unter der Regierung Friedrichs des Großen (1740 – 86) gestaltete der bekannte Architekt Freiherr von Knobelsdorff den heute unter dem Namen Großer Stern bekannten Platz im Tiergarten mit Hecken, Alleen und Statuen antiker Götter. Diese Statuen nannten die Berliner etwas spöttisch die Puppen und den Platz den Puppenplatz. Da der Tiergarten damals einiges außerhalb der Stadt lag, war ein Spaziergang bis in die Puppen ein recht weiter Weg.
Bis in die Puppen war also anno dazumal eine Redewendung, die einen weiten Weg umschrieb. Daher hieß es auch bis in die Puppen gehen. Später wurde die Redensart vom Raum auf die Zeit übertragen. Vermutlich weil ein langer Spaziergang einige Zeit in Anspruch nimmt.
Die Puppen wurden schon frühzeitig Opfer von Besuchern, die weniger an Kunst interessiert waren, sondern wohl lieber die Puppen tanzen lassen wollten und die im Tiergarten bisweilen hausten wie die Vandalen, sodass die Skulpturen schon wenige Jahrzehnte nach dem Aufstellen bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt waren. 1829 wurden die kläglichen und unansehnlichen Reste entfernt. Heute befindet sich an gleicher Stelle die berühmte Siegessäule. - die Puppen tanzen lassen
→ kräftig feiern, leichte Mädchen zum Tanzen bringen
- Wie der Lump am Stecken tanzen
→ Wenn jemand eine flotte Sohle aufs Parkett legt, ein richtiger Eintänzer ist, dann lobt man ihn mit dieser alten Wendung. Sie bezieht sich auf die Vogelscheuchen auf dem Feld, die mit Lumpen menschenähnlich gekleidet waren, womit die Bezeichnung "Lump" für sie doppelt passt. Der Wind lässt ihre Kleidung munter flattern und manche Vogelscheuche ist sogar drehbar gelagert, so dass sie mit dem Wind sich drehen, also tanzen konnte.
- das Tanzbein schwingen
→ ausgelassen feiern und tanzen
- Wem das Glück aufspielt, der hat gut tanzen.
→ wer Glück im Leben hat, der kann beschwingt sein, der hat ein leichtes Leben, dem gelingt alles
- Auf Eiern tanzen und mit Weibern umgehen muss gelernt werden sieben Jahr und einen Tag.
→ Mit Frauen umgehen zu können ist wie auf rohen Eiern zu tanzen, man muss vorsichtig dabei sein, denn wenn man zu viel Druck ausübt, dann ist das Ei kaputt und die Frau verstimmt; man muss viel Zeit investieren, um einmal die Frauen verstehen zu können
- Bezahlen wir die Musik, so wollen wir auch tanzen.
→ ähnlich dem: wer A sagt muss auch B sagen, doch hier ist konkret gemeint, dass man einmal organisierte oder angeleierte Dinge zu Ende bringen muss, wenn sie erstmal ins Laufen gekommen sind
- Für Geld kann man den Teufel tanzen sehen.
→ Mit Geld kann man eine ganze Menge erreichen, es ist fast alles für Geld zu kaufen.
- Laß ihn eine Weile fasten, so vergeht ihm das Tanzen.
→ Wer eine Weile auf etwas verzichten muss, der verliert die Lust daran; wenn man jemanden von etwas abbringen möchte, dann muss man ihn nur darben lassen
- Not lehrt einen Bären tanzen.
→ Wer in einer Notsituation ist, der wir kreativ werden, wie er sich durchschlagen kann.
- Was die Fürsten geigen, müssen die Untertanen tanzen.
→ Was die Regierung und die Gesetze verordnen, dass muss das Volk umsetzen.
- Wenn alte Weiber tanzen, machen sie viel Gestäub./ Wenn die alten Kühe tanzen, so klappern ihnen die Klauen.
→ Umso älter eine Frau wird, umso schwieriger ist es, mit ihr umzugehen, denn sie macht wegen jeder Sache eine große Aufregung. - Wenn du tanzen willst, so sieh zu, welche du bei der Hand nimmst.
→ Wenn du etwas Bestimmtes vorhast, dann schau Dir genau an, mit wem du dieses erreichen kannst, denn nicht jeder wird dafür geeignet sein.
Es ist doch ganz erstaunlich, in wie vielen Bedeutungen das Wort Tanzen in den Deutschen Redewendungen und Sprichwörtern verwendet wird. Ich bin allerdings nicht darüber glücklich, dass es größtenteils, also ca. 90 % eher um negativ konnotierte Verben sind, für die das Wort Tanzen eingesetzt wird.
TANZEN wird u.a. als Synonym für folgenden Wörter gebraucht:
Viele Dinge auf einmal tun, etwas bewältigen, sich blamieren, kräftig feiern, gehorchen (lassen), gieren, übermütig sein, ausgelassen feiern, beschwingt sein, konsequent sein, die Lust verlieren, sich durchschlagen, etwas vorhaben uvm.
Findest du es nicht eigenartig, dass Tanzen ist vielerlei Hinsicht gar nicht als das gesehen wird, was es ist, sondern oft abwertend eingesetzt wird bzw. wurde? Denn tendenziell kann ich beobachten, dass dies eine alte Sprache ist, die zwar noch eingesetzt wird, aber doch eher von den älteren Generationen, nicht mehr von den Jüngeren, die nämlich damit schon wieder etwas besonders Positives verbinden. :-D Ich hoffe, diese Tendenz bleibt so bestehen und wir nutzen das Wort TANZEN in der Zukunft, um etwas besonders Schönes zu benennen wie "Tanzen verleiht Flügel", "Tanzen ist träumen mit den Füßen", "Augen zu und Tanzen" oder "Tanz oder gar nicht" :-D
Dir fehlt etwas in diesem Artikel? Dann schreib mir bei Facebook oder an heidemarie@tanzeit-duesseldorf.de - ich freue mich über dein Feedback!

"Einfach Tanzen"-PodcastBotschafterin des Tanzens
Über die Blog-Autorin: Heidemarie ist passionierte Tanzlehrerin und zertifizierte I-TP-Tanzpädagogin und arbeitet als solche den ganzen Tanz mit großen und kleinen und großen mi kleinen Menschen zusammen, um ihnen die bestmöglichsten Voraussetzungen zu schaffen, um ins Tanzen zu kommen und dadurch zu Leuchten. Mehr über sie erfährst du HIER