Jetzt droht Weltkultursterben (10.01.2021)

Was keiner wahrhaben will, aber dennoch sich sehenden Augens abzeichnet
[Lesezeit 8-11 min]

 

WAHNSINN - das ist das einzige Wort, dass mir zu bisher 10monatigen andauernden miesen Situation in unserer Tanzwelt einfällt. Wir sind in einem Irrenhaus und müssen mit ansehen, wie unsere Tanzschulen, Tanzstudios, Tanzhäuser ect. untergehen. Ohne Einkommen ist da einfach nichts zu machen. Doch wir sind entmächtigt worden mit dem was wir gelernt und uns aufgebaut haben, Geld zu verdienen.

 

Berufsverbot – Berufseinschränkungen – Berufsauflagen – Berufsverbot

 

Wir alle werden auf die bisher härteste Probe in unserem Leben (vermute ich) gestellt, die wir uns vorstellen können: das Ganze hat auch nicht mehr mit unternehmerischem Risiko zu tun, dass möchte ich hier in aller Deutlichkeit schreiben. Wer mir mit dieser sinnentleerten Floskel nochmal kommt, der wird sich ein Wutschwall meinerseits ergehen lassen müssen.

 

Mir blutet das Herz, wenn ich höre, dass die nächsten Inhaber schließen mussten - und ich mache auch Luftsprünge, wenn ich erfahre, dass es supermega-Kunden gibt, die immer noch weiterzahlen, ebenso vor der Kamera mit durchhalten und Unternehmen retten: einfache grundsolide Unternehmen und keine Konzerne oder Riesenunternehmen, die Größenteils nicht mal in den Ländern, in denen sie ihre Hunderten Filialen haben

Der Wahnsinn wird ein Ende haben, die Frage ist, wer von uns das noch erlebt und im bisherigen Sinne weitermachen kann, weil er nicht schon vorher ruiniert ist oder sich vom Business abgewendet hat und sich verständlicher Weise in einem anderen Job eingerichtet hat?

Auch Ausbildungen und Fortbildungen sowie Weiterbildungen werden demnächst überflüssig, weil wir niemanden mehr haben, der es zahlen kann oder noch diesen Job „Tanzen“ macht

 

Weltkultursterben. Ausbluten der Szene.

 

Es wurde drauf gesch…. was man vorher investiert hat in Hygieneschutzkonzepte und Ausstattung. Ich kenne Kollegen, die haben noch in der Woche vor Bekanntgabe des 2. Lockdowns stolz auf Instagram ihre Luftfiltergeräte präsentiert. Sie konnten das Gerät nicht einmal nutzen.
Alle werden massiv mit Füßen getreten: die Anbieter wie die Verbraucher. Ich möchte ausdrücklich alle sinnvollen Förderungen wie „Neustart Kultur“ wohlwollend und lobend nennen, denn damit wurde viel getan. Diese Programme sind wichtig, sehr wichtig. Doch unter Strich war einfach für zu Wenige die Teilnahme daran möglich.

 

Jeder fragt sich seit Monaten, was soll ich machen, was kann ich tun? Da bleibt nicht viel:


Phase 1 # Die Beziehung zum Kunden in den Vordergrund rücken, jeden Tag eine Kleinigkeit für die Menschen tun, ob mit Videos, Geschichten, Rätseln, Unterhaltungsprogramme z.B. von TanzKultur, Bastelanleitungen, Wohnzimmerpartys, Live Q&Rs oder eigene Podcasts – neben den Tanzvideos und Tanzanleitungen natürlich. Hauptsache ihr könnt auf positive Art vermitteln, dass man sich gemeinsam da durchtanzt, freut, dass die einen tanzen, die anderen mittanzen, die einen ein umfangreiches Programm anbieten und die anderen dafür gerne weiterzahlen. Wenn euren Kunden bewusst wird, wie stark sie daran beteiligt sind, dass es euch weiterhin gibt, dann werdet ihr es gemeinsam packen.


Phase 2 # Es gibt die Möglichkeit, die Miete zu reduzieren. Neuere Verordnungen machen es möglich, dass der Vermieter das Risiko nun mittragen muss bei Geschäften, die von der Pandemie eingeschränkt werden. (RA Timo Müller weiß da Rat.) Lass dich auch zu weiteren rechtlichen Mitteln beraten wie Eilanträge usw. die sind immer dann möglich, wenn die aktuelle Verordnung verändert/angepasst/erneuert wurde.


Phase 3 #  Beantragen, was geht, und schauen, was reinkommt. Hier ist ein guter Steuerberater Gold wert, er oder sie sollte sich reinhängen und seine/ihre Arbeit gerne machen. Am besten ist es, wenn er/sie von alleine auf dich zukommt! Ich selbst gehe davon aus, dass es mit näher rückender Bundestagswahl immer weniger „Wahlgeschenke“ geben wird und vor allem keine mehr nach der Wahl. Setzte nicht auf Vater Staat, der scheint das Wesentliche, sämtliche Bevölkerungsschichten, völlig aus dem Blick verloren zu haben und kein Interesse mehr daran zu haben, dass in der Tanz- und Kulturwelt irgendjemand überlebt.
Auch die bisher staatlich getragenen Institutionen sind in geraumer Zeit ebenso von Pleiten und Schließungen betroffen, denn als erstes werden nun mal kulturelle Angebote eines Landes oder einer Stadt eingespart. Die ersten Haushaltsbeschließungen wie in Erfurt, zeigen dies bereits und lassen böses erahnen.


Phase 4 # Den Job wechseln, vorübergehend, damit weiter Geld reinkommt und du dich nicht verzettelst. Es ist wichtig, dass du nicht deinen gesamten Geldbeutel ausreizt und bis zum bitteren Ende auf Zeit spielst, denn wir kennen nicht den Endpunkt dieser Dunkelzeit in der Geschichte des Tanzens. Und ja, das ist ein sehr befremdlicher Gedanke, gerade wenn man ihn zum ersten Mal denkt. Doch die Wahrheit ist, dass es immer besser ist, wenn man sich um sich selbst kümmern kann, um zu retten, was noch zu retten geht.

 

Phase 5 # In jedem Fall darfst du dich stetig weiter vernetzten und z.B. Ideen für die Kundenpflege auszutauschen (TanzKultur) oder neue Kursideen. Wir alle sind gut und sehr gut, in dem was wir tun, aber niemals so gut wie viele gemeinsam. Ich bin überzeugt, dass vor allem diejenigen richtig gut überleben werden, die sich mit anderen ähnlich tickenden Kollegen verbunden haben und in einen offenen, echten Austausch gegangen sind.


Phase 6 # Vielleicht sich politisch einbringen. Demonstrieren, dann aber richtig und mit der gesamten Szene, denn was anderes wird in Berlin kaum mehr wahrgenommen. Wenn du einen Politiker kennst, dann sprich ihn immer wieder an, nerve gefühlt, denn nur dann sind diese in der Situation etwas zu erkennen und weiterzugeben. Ich selbst kenne nur einen, der ist leider felsenfest davon überzeugt, dass unsere Regierung das alles absolut fraglos richtig entscheidet und den einzig richtigen Weg fährt. An so einer Stelle ist natürlich Hopfen und Malz verloren.

 

Phase 7 # Wir erkennen endlich, verdammte Hacke, dass wir endlich größer in der Tanzwelt und in der Kulturwirtschaft denken dürfen und m.E. auch denken und z.B. eine IG Kultur oder eine Lobby Kultur gründen müssen, wenn wir mal so langsam das Weltkultursterben verhindern und unser aller Weltkulturerbe nicht demnächst zu Grabe tragen wollen. Es reichen doch im Wesentlichen ein paar ganz wenige Positionen oder eine einzige uns verbindende Meinung, um an einem Strang zu ziehen z.B. schnelle Wiedereröffnung der Deutschen Kultur mit konkretem Termin, Forderungen nach einer privaten Altersversorge und einer Arbeitslosenversicherung für Selbständige und Solopreneure, ein Bedingungsloses Grundeinkommen für Kulturschaffende, solange die Coronazeit anhält.
Ein offener, längerer Austausch kann auch in Zukunft dafür sorgen dauerhaft Kultur und Tanzen sichtbar zu machen, auch unter der Prämisse, dass uns diese absurde und völlig surreale Situation nicht wieder ereilt.
Jeder Kulturbereich kann dazu im ersten Schritt einmal zu Papier bringen, was seine Arbeit und sein Kulturbereich ausmacht, um etwas Handfestes an Politiker weitergeben zu können. Die haben nämlich keine Ahnung, was bei uns läuft, wenn sie nicht ganz zufällig in einer Tanzschule gelandet sind. M.E. ist da von Bundestags- oder Landtagsabgeordneten eher seltenst davon auszugehen.


Phase 8 #  Insolvenz anmelden und mit blutenden Herzen registrieren, dass die Gesunderhaltung bei Corona alles an Maßnahmen rechtfertig, die sonst jeglichem Verstand wiedersprechen. Wenn du es bis hierher hast kommen lassen, dann frag dich auch, warum du dir dein (langjähriges) Business einfach so sang und klanglos hast entreißen lassen. Spätestens bei dem Ausräumen deiner Tanzschule, deines Tanzstudios oder Tanzhauses wirst du bereuen, dass du nicht mehr gemacht hast um auf deine und die Situation anderer aufmerksam zu machen. Wenn du es bis hierher hast kommen lassen, dann bist du mittlerweile (hoch) verschuldet und wirst auch nach dem ganzen Spuk nicht so schnell eine neue Tanzschule wiedereröffnen können, weil deine Schuldenbereinigungsphase andauern wird und ein neues unsicheres Business bei keinem Geldinstitut einen Kredit bekommen wird. Wenn es Banken dann noch gibt. Ach ja, sorry, die werden ja auch jeden Fall von unseren Steuergeldern gerettet. Ein wenig Zynismus musste hier einfach mal sein.

 

Ich kann nur abschließend sagen: Wach auf und hör auf zu hoffen, dass es sich alles wieder einfach so von alleine geben wird, wie wir doch alle an den Massiveinschränkungen zu leiden haben. Das wird nicht passieren. Die meisten Regierungen haben in der Vergangenheit bereits gezeigt, dass sie sich verrennen können. Warum sollte das am Ende nicht wieder passieren. Hier in Corona-Deutschland. Sind zudem ja so gut wie immer die Gleichen, die an die Macht kommen.
Also tu was Produktives, was für die gesamte Szene und mach auf deine Situation in deiner Stadt, in deinem Land aufmerksam. Triff dich bei Veranstaltungen des Kulturrates, abonniere verschiedene Newsletter der hiesigen Berufsverbände und biete dich an, wenn eine helfende Hand gebraucht wird. Denn klar, auch wenn wir bereits am Limit sind, so HABEN wir gerade noch eine Tanzwelt. Wir müssen uns aber im Klaren werden, dass da draußen gerade riesige Bulldozer stehen und diese Welt gerade in aller Härte einreißen – willst du das?

 

Wer Dir sagen kann, was du tun sollst?

Erstens: Gott  & Zweitens: du selber  - denn: nutze deine Intuition und finde einen Weg einen Tanz zu tanzen, den es noch nicht gibt und den dir keiner lernen kann. Das was wir über diesen Tanz wissen: andere ändern ständig die Bedingungen und verlangen im Grunde unmögliches. Und dennoch gehören wir zu den wenigen Sportarten und Kulturzweige, die in einer Art Inkubationszeit zu Hause in den heimischen vier Wänden überleben können. Tanzen lernen und weiter tanzen kann ich unter Einschränken dennoch zu Hause, doch ich kann hier weder Schwimmen, noch Judo oder Football trainieren, kann auch nicht Golfen oder Eiskunstlaufen, weder Reiten noch Bungeejumpen, weder Tauchen noch Kanu fahren – da hab ich wirklich Glück im Unglück gehabt, dass ich eine Tanzschaffende bin. Damit das so bleibt und wir wieder aus dem Inkubator raus dürfen, müssen wir gemeinsam dafür sorgen, dass wir nicht zu sehr geschwächt werden, wen es wieder weitergeht! Let´s Go!

 

 

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Jasmin

Blog-AutorinHeidemarie A. Exner

Die TanzBotschafterin ist passionierte Tanzlehrerin, Dozentin und zertifizierte I-TP-Tanzpädagogin und arbeitet als solche den ganzen Tag mit großen und kleinen und großen mit kleinen Menschen zusammen, um ihnen die bestmöglichsten Voraussetzungen zu schaffen, um ins Tanzen zu kommen und dadurch zu Leuchten. Mehr über sie erfährst du HIER

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