Tanzgeschichten mit und ohne meinen Tanzenden während der Corona-Zeit (02.04.2020)

Was passiert eigentlich in der Tanzschule, wenn keine Kurse mehr laufen?


Der Tag davor

„Ich weiß seit gestern, dass ich nur noch heute aufhaben darf. Ich bin fassungslos, dass sowas geht, dass mit einem Schlag bundesweit keine Tanzschule mehr öffnen darf. Ich verstehe es leider rational, aber nicht emotional. – Hä, wieso zumachen, bei mir war doch niemand krank. Das wäre doch das normale Vorgehen. Und auch sowas wie „Verstehe nicht, war doch keine besonders heftige Grippe Zeit seit November…“. Doch es ist wie es ist und ich lade meine Tanzschulmitglieder zu einer Extra-Tanzstunde ein, wo, wer möchte, nochmal tanzen kommen kann.

Vier meiner Teens sind da, wir tanzen, nun wissentlich, dass wir uns verabschieden müssen, noch ein bisschen zusammen. Unseren Tanz, den wir erst in der vorletzten Stunde neu begonnen hatten. Natürlich war es schön, doch auch unfassbar schlimm. Gerade dann das verabschieden, die Süßen wollten am liebsten bleiben. Mit rannen die Tränen, ohne dass ich es hätte aufhalten können, die Wangen herunter. Ich hatte alle so sehr lieb gewonnen, so unzählige Tanzstunden begleiten können. Eine schöner als die andere, eine mutiger als die andere und durchs Tanzen so wundervoll entwickelt. Es verbindet uns eine außergewöhnliche Zeit.

Und während ich hier alles erinnere und aufschreibe, weil ich es nicht vergessen möchte, fließt wieder Wasser über meine Wangen. Unfassbar, ich kann es immer noch nicht glauben, dass wir 3 Wochen, bevor der Kurs geendet wäre, so auseinander gerissen wurden. Denn: ich löse die Tanzschule in 6 Wochen auf, und wir können uns dann hier nicht wiedersehen, ich kann die Tanzstunden nicht nachholen, denn dann bin ich schon in einer anderen Tanzschule. Stimmt, Gott sei Dank, ich bleibe in Düsseldorf, ich bin wirklich gut an der neuen Tanzschule erreichbar und ich weiß schon jetzt, dass ich mich über jede/e einzelne/n unfassbar freuen werde, der mich hier besucht und den nächsten Tanzkurs mit mir macht.“


>> Woche Eins <<

Ich bin die gesamten ersten 14 Tage wie unter Strom, elektrisiert, teilweile mechanisch oder auf Autopilot. Dieses Programm sagt mit, dass ich jetzt auf jeden Fall alles dafür tun muss, um meinen Tanzenden die letzten Wochen auf Video festzuhalten und möglichst so, um ihnen das Gefühl zu geben, sie stünden direkt neben mir in der Tanzschule.

Ich arbeite ohne freien Tag durch, ich bestelle neues Video-Equipment und lerne dazu, wie das geht mit dem Aufzeichnen und Videounterrichten. Ich merke, es klappt ganz gut. War wohl ne ganz gute Idee, Videos und Clips seit 2 Jahren zu machen. Klar, kam gut an beiden Tanzschülern, warum auch nicht. Dann kann man es sich besser merken.

Und nun ist das mein täglich Brot, ich und die Kamera, oder auch ich, meine wundervollen Assistentin Sandra und die Kamera. Ich muss schon jedes Mal mich pushen, damit alles so rüberkommt, wie ich es gerne hätte. Ich merke, es dauert 3 bis 4 Mal länger ein Video von dieser Qualität gefilmt, produziert und eingestellt zu haben. Mich nervt die Arbeit des Postproduzierens, denn damit verbringe ich nun viel Zeit damit.

Dann filme ich lieber einen ganzen Tag, und postproduziere den nächsten Tag, das kann ich von Zuhause machen, brauche nicht in der kalten Tanzschule sein, die ja nicht so warm wird, als wenn die Hütte voller Menschen ist.

Ich lerne meine Tanzschule nochmal von einer anderen Seite kennen. Und weiß, dass es mir so jedenfalls nicht besonders schwer fallen wird, diese in einem Monat zu schließen.“


>> Woche Zwei <<

Eine meiner einprägsamsten Geschichten in Bezug meines Berufsverbotes, also nicht als Tanzlehrer arbeiten zu können oder meine Tanzschule gehöffnet zu haben, war vor drei Wochen folgende - ich sammle mich - denn es tut tatsächlich wieder weh, wo ich sie wieder vergegenwärtige...“

Ich drehte durch, also ich drehte Videos den ganzen Tag, natürlich und war gerade bei einem Video für Kinder ab 3 Jahre mit ggf. Geschwister und Mama/Papa im Drehplan angekommen, da klopfte es an der Tanzschultür, während meiner Aufzeichnung. Es klopte mehrmals, eigentlich gefühlt 5 oder 10 min und nach einer Stunde, als ich die nächste Aufzeichnung machte, wieder, ähnlich und ich erhaschte durch einen Blick zur Tür, dass es zwei Kinder waren.

Das war mein erster Stich.

Denn. Ich tanzte wieder für eine Aufzeichnung dieser Altergruppe, von der ich eben sprach, und absurder Weise musste ich die ausschließen, mit denen ich vorher monatelang so vergnügt getanzt hatte und die ich lieb gewonnen hatte.

Wie absurd. Ich war gewungen die Emotionen runterzuschlucken, in diesem Moment, denn ich musste das Video fertig bekommen. Ein Abbruch hätte bedeutet, dass ich ganz neu starten musste.

Als ich dann am Abend, es war wieder spät geworden, gegen 22h Uhr die Tanzschultür zum rausgehen öfnete, hing eine Geschenktüte für mich und meinen kleinen Jungen an der Klinke.

Mein zweiter Stich.

Jemand war an der Tür gewesen um mir ein Geschenk zu machen und ich konnte ihn nicht reinlassen.
Als ich dann an der Haltestelle stand, schaute ich unter der Straßenbeleuchtung genauer in die Tüte, denn ich war neugierig.
Es war ein Geschenk von einer meiner Tanz-Mamas, die mit ihren beiden wundervollen, sehr tanzaffinen Kids, um die Ecke wohnend, anscheinend mich besuchen wollten, und dich ich schmerzlich nicht einlassen durfte.

Das war mein dritter Stich und zu viel für mich

- ich heulte einfach los, unter der Laterne, dort wo keiner stand, außer ich, denn ich arbeite eben auch jetzt bis spät.

Ich preise und predige jeden Tag, dass Tanzen die beste Medizin ist, und ich muss meinen Ort, wo es diese Medizin gibt, geschlossen halten und darf nicht meine Arbeit tun. Ich verstehe eigentlich die Welt nicht. Tanzen bewegt alles - Herz - Verstand und Körper und steigert nachweislich auf die vielfältigsten Weisen die menschliche Gesundheit.“


>> Woche Drei <<

„Mein erstes Online-Tanztraining war überwältigend, denn zum letzten Mal hatte ich alle Frauen und Mädels live gesehen. Diese neue Art zusammen zu tanzen fühlte sich neu an, ich freute mich über diese Möglichkeit und dennoch war es irritierend. Warum? Weil der Bildschirm so viele Impulse wegfiltert, weil ich mehr Zeit brauche jede einzelne zu erreichen und weil ich unweigerlich an die Live-Tanzstunden erinnert werde und diese sofort schmerzlich vermisse.

Ich lass mir nichts anmerken, denn ich muss die Situation für alle händeln. Sie freuen sich, melden zurück, wie sie die Musik hören und machen fleißig mit. Dennoch brauche ich noch mehr von meinen Schülerinnen um zu wissen, ob sie es übernehmen konnten, wie ein einzelnes Video von jeder selbst, was ich vermitteln wollte.

Ich merke, dass Jede unterschiedlich schnelles Internet hat, die eine mehr, die andere weniger Platz hat, und wie unterschiedlich die Bodenbeläge sind. Jede ist froh und sammelt mit mir diese neuen Erfahrungen. Wir tanzen, das ist schön. Wir tanzen irgendwie zusammen, und irgendwie doch nicht. Mhm.

Und ja, es gibt auch die ein oder andere, die gerne mitgemacht hätte und sich nicht getraut hat, weil dann ja die eigene Wohnung bzw. das Zimmer mit auf dem Video ist. Da wäre eine Einladung ganz gut für die nächsten Male, dass man natürlich auch mit machen kann, wenn man die Kamera aus hat. Es ist natürlich besser als gar nix, und klappt ganz gut, wenn alle Vorerfahrungen haben und vielleicht eine kurze einfache Choreo vermittelt werden soll. Doch vieles fehlt dem Tanzen, wenn es diesen Zustand hat – beiden Seiten – klar, sonst würde ja jeder nur noch online Tanzunterrichten.“


>> Woche Vier <<

„Gerade habe ich ein Tanz-Video einer meiner Teens bekommen und brach ungewohnter Weise in Tränen aus:
Sie lernte den Großteil davon durch meine Videos,
sie tanzte es wirklich gut,
sie schrieb mir, dass sie den Tanz liebt und dankbar ist, dass sie weitertanzen kann.

Ja, wir haben derzeit keine andere Möglichkeit Tanzen zu vermitteln, Tanzen ist gerade eine Angelegenheit, die man nur für sich macht und ohne die lieben Menschen um sich herum aus der Tanzschule (Ort wie Team), dem Tanzstudio, dem Verein, den Partys, den familiären Feiern - es schmerzt mich so unendlich, dass das gerade so ausgebremst ist. Tanzen ist mein Lifestyle, mein Ausdruck, meine Arbeit, meine Kommunikation, meine Kultur - wer bin ich eigentlich, wenn ich nur noch vor der Kamera unterrichte.

Meine Schülerin hat mir heute klar gemacht, dass sicherlich "nur" 50 % unserer Offline-Tanzenden (eigene Statistik von anderen Kollegen) mal eben zu Online-Tanzenden geworden sind - doch für diejenigen bedeutet das Tanzen genauso viel wie mir und wir Tanzvermittler müssen genau für diese Tanzenden der Feld in der Brandung sein, für uns und für die anderen - so dass Tanzen nur die Form wechselt, aber nicht die Seele!“


>> Woche Fünf <<

„Die meisten Videos sind gedreht und ich bekomme liebevolles Feedback von – super, wir tanzen statt einer Stunde nun zwei Stunden und lernen besser als wir dachten“ – bis hin zu – „die Kleine wollte anfänglich nicht so richtig über den Bildschirm, dann haben wir den Fernseher genommen, nun klappt es richtig gut, danke dir“ – und auch – „wir haben so viel von der Schule an Aufgaben bekommen, ich konnte noch nicht einmal die Videos anschauen“ – oder auch – „unser Alltag steht gerade Kopf, es gibt gerade so viele Angebot, da sind wir lieber draußen“.

Immerhin, nach meiner Statistik nutzen 60% der Tanzschulmitglieder ihren Kurs, und sogar 80% davon regelmäßig. Das finde ich beachtlich, denn vom Bildschirm zu lernen ist ja dann doch noch was anderes. Ich bin motiviert und doch um mehr als doppelte angestrengt, denn nach dem Tanzen und Videodrehen, muss ich die Dateien gut beschriften, auf den Laptop laden, in die entsprechenden Kursordner laden, und danach jedes einzelne Video für jeden Kurs in jeder Woche im Video-Programm bearbeiten (Lichtqualität verbessern, Scheiden, Übergänge, Texte), dann abspeichern, auf die Website hochladen und am Ende in den Member-Bereich einbinden.
Das ganze nimmt mich komplett in Anspruch, dass ich kaum zu etwas anderes komme. Ich muss die Kurseinheiten ja natürlich auch noch vorbereiten und dann soweit selber gut können, dass ich das Video dann mit einem Ritt aufnehmen kann. Zudem ist diese Arbeit zunehmend einsamer und einsamer. Ich bin froh meine Assistentin Sandra mindestens an einem Tag in der Woche zu sehen, damit wir die Paartanzkurse aufnehmen können. Dieser Job mutiert von einem Tag auf den anderen sozial gesehen ins Gegenteil. Klar, ein Kopf weiß warum, doch mein Herz ist einfach nur traurig, bei all meinen Bemühungen und der ganzen Motivation.
Am Ende bin ich froh, das Online-Tanzunterrichten 6 Wochen gemacht zu haben, der Erfahrung wegen, auf jeden Fall. Und dann auch, weil ich weiß, ich muss das nicht mehrere Monate machen, ungewiss, ob die Tanzschulmitglieder das als gute Alternative zu den Live-Tanzkursen annehmen würden.
Was für eine kopfgestellte verrückte und auch unsichere Zeit…

 


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Jasmin

Blog-AutorinHeidemarie A. Exner

Die TanzBotschafterin ist passionierte Tanzlehrerin, Dozentin und zertifizierte I-TP-Tanzpädagogin und arbeitet als solche den ganzen Tag mit großen und kleinen und großen mit kleinen Menschen zusammen, um ihnen die bestmöglichsten Voraussetzungen zu schaffen, um ins Tanzen zu kommen und dadurch zu Leuchten. Mehr über sie erfährst du HIER

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