Wie geht eigentlich Empathie? (27.08.2020)

Ein Beitrag zu einem echten gegenseitigen Verständnis im zwischenmenschlichen Miteinander
[Lesedauer: 12 -15 min]
Viele denken, gut gemeint ist gleich empathisch, aber das stimmt nicht. Ich möchte gleich zu Beginn mit 5 Formulierungen starten, die nicht empathisch sind.
Angenommen eine Freundin kommt zu mir und meint über einen Kollegen „Oh man, mein Kollege ist so ein Depp, was für ein mieser Typ.“
Nun kann ich auf 5 unterschiedliche nicht empathische Weise reagieren:
# 1 Vergleich mit der eigenen Erfahrung wie
„Oh ja, das kenn ich auch, mein Kollege ist genauso.“
So viele Menschen erzählen direkt von sich selber, d.h. ohne direkt hinzu hören, was der andere gerade von sich preisgibt, kommen sie mit ihrer eigenen Geschichte und denken, dass das mit fühlend wäre, weil sie unterstreichen, was der andere sagt; ist es aber nicht.
# 2 Widersprechend wie
„Echt? Ich fand den Kollegen ganz nett, als ich ihn kennengelernt habe.“
Auch hier wieder dasselbe: ich spreche nur über mich, über meine Meinung, aber die tut hier nichts zur Sache.
# 3 Besänftigung wie
„Ach du das, wird schon wieder, ihr kriegt euch schon wieder ein.
Diese ganzen Kopf-hoch-Formulierungen haben mit Empathie einfach gar nichts zu tun. Es ist vielleicht gut gemeint, und auch nicht falsch sowas zu sagen, aber es ist einfach nicht empathisch, besonders, wenn er oder sie echtes Leid erfährt, möchte der andere lieber ernst genommen werden. Diese Bemerkungen stellen eher Distanz her, denn sie vermitteln eher: stell dich nicht so an, denn so schlimm wie du denkst, ist es nicht.
# 4 Besserwissen wie
„Ich hab dir doch schon immer gesagt, dass das ein Depp ist.“
Ja super, dass du hast recht, aber davon hab ich ja nichts, und es hilft mir in meiner aktuellen Situation auch überhaupt nicht. Diese Reaktion wollen wir sehr wahrscheinlich als allerletztes hören, denn sie sagt im Grund gar nichts aus.
#5 Lösungen anbieten mit Formulierungen wie
„Du musst halt mal dein Kollegen echt die Meinung sagen“ oder „Machs doch mal so oder so“
Das ist bestimmt lieb gemeint und gerade von Männern eine oft gewählte Reaktion, aber auch hier geht der Antwortende nicht auf die Situation des anderen ein oder nimmt dessen Befindlichkeit ernst. Klar, wenn man nach Lösungen gefragt wird, dann immer raus damit. Aber mach sie nicht, wenn der andere gerade über seine Gefühle spricht.
Wie geht es dafür richtig, was machen wir lieber? Wir vermitteln etwas von Wert für ihn oder sie bzw. was er/sie braucht:
#1 Nach den Bedürfnissen und Gefühlen des anderen Fragen:
Gefühle erfragen wie zum Beispiel „Du warst richtig sauer auf ihn, oder?
„Was löst es in dir aus, wenn er dich so behandelt?“
„Wie geht es dir nach diesem Erlebnis?“
#2 Bedürfnisse kann ich erfragen, nach dem was dem anderen wichtig ist, wie zum Beispiel:
„Was hättest du dir denn in dem Moment gewünscht?“
„ Warst du wütend, weil dir Fairness beziehungsweise Ehrlichkeit gefehlt hat?“
„ Was hilft dir jetzt am besten ?
„Was kann ich gerade für dich tun, damit es dir jetzt besser geht?“
Gefühle selbst zu benennen oder durch den anderen zu benennen zu lassen, hilft den anderen wieder ein Zugang zu sich selbst zu bekommen. Dadurch kann er Zum Beispiel aus der Opferrolle herauskommen oder sich selbst regulieren - im besten Fall ist der andere wieder in seinen Ausgleich gekommen.
Zusammengefasst kann ich sagen: empathisch zu sein bedeutet nicht über mich zu sprechen oder Lösungsansätze zu finden, sondern darüber zu sprechen, was den anderen beschäftigt. Mit unseren Fragen können wir auf die Gefühle und Bedürfnisse des anderen eingehen. Dadurch können wir uns auf Augenhöhe begegnen, tiefe und starke Beziehung aufbauen und pflegen, und eine wertschätzende Kommunikations- und Beziehungskultur leben.
Wir können selbst etwas für die Regulation unsere Gefühle machen denn am Ende sind wir immer selbst dafür verantwortlich wie es uns geht.
Und nun noch was aus meinem Herzen
Wie kann ich meine Empathiefähigkeit weiterentwickeln? Hier habe ich noch ein paar Tipps für dich, wie du selber empathischer werden kannst:
#1 Das Verständnis für den anderen neu entwickeln Komma das heißt versuche den gegenüber wirklich zu verstehen, seine Gründe, warum es ihm so geht wie es ihm geht, nachzuvollziehen.
# 2 Nur dann zuhören, wenn ich wirklich in der Situation beziehungsweise in der Lage in einem anderen zuzuhören. Wenn ich mit meinen eigenen Problemen, Aufgaben und Lösungen beschäftigt bin und selbst jemanden brauche, der zuhört, dann sollte ich mir jemanden suchen der mir zuhört. Braucht aber jemand von meinen Mitmenschen ein offenes Ohr, dann ist es besser, einfach zuzuhören und dieses offene Ohr dem anderen zu schenken, also meinen eigenen Kram außen vor zu lassen.
# 3 Schenke Achtsamkeit verzichte auf Schuldzuweisungen und Rüge kein Fehlverhalten. Es gibt kein Fehlverhalten in diesem Sinn, Es gibt nur einen nächsten Schritt. Und dein nächste Schritt, ist für dich immer der Richtige.
# 4 Die Erniedrigung des anderen ist nicht meine Erhöhung. Jemanden anderes schlecht zu machen, ist vielleicht eine kurzfristige Version mich besser zu fühlen, doch ein Gründe schade dass uns beiden und vergiftet die Beziehung.
# 5 Es ist wichtig Gewohnheiten und die Mentalität der Lösungen für sich zu etablieren, das heißt Ich frage mich, Wer will ich sein in Bezug auf den Umgang mit anderen Menschen.
# 6 Ich fokussiere mich darauf, was mir Kraft gibt und finde heraus was geht und möglich ist. Diese grundlegende Einstellung nehm ich mit in die Begegnungen mit Mitmenschen.
# 7 Schwierigkeiten sind nicht per se schlimm, es kann Freude machen Lösungen zu kreieren. Wenn etwas nicht auf Anhieb geklappt hat, oder schon mehrmals nicht funktionieren wollte, dann sind diese versuche Ein Teil der Lösung.
# 8 In Kontakt mit anderen ist es aus meiner Sicht immer wichtig eine deeskalierende Sprache zu wählen statt eskalieren zu sprechen. Für mich ist wichtig, dass wir friedlich miteinander sind, dass wir die Meinung des anderen akzeptieren, oder wenigstens aushalten können.
Empathie brauche ich in meinem Umgang mit Tanzenden, mit Tanzschülern, Eltern, meinen Kunden, meinen Freunden, meiner Familie – egal wann, es ist wichtig, dass ich in der Lage bin, mir kurz vorzustellen, in welcher Situation sich der andere befindet, kurz reinzugehen in die Emotionen, die der andere womöglich haben kann und dies einfach formuliere oder erfrage.
Menschen teilen lieber als du denkst ihre Gefühle und Befindlichkeiten – das habe ich in knapp 2, 5 Jahren Podcast und 14 Jahren Tanzunterrichtende gelernt.
Wir Menschen sind Kommunikationslebewesen, wie können nicht nicht kommunizieren. (Die Axiome von Paul Watzlawick) D.h. egal was wir machen, Mimik, Gestik, Aussprache – wir kommunizieren immer. Wir teilen den anderen immer irgendetwas über uns mit.
Und das Verrückte an der Sache: Körper lügen nicht. Körper lesen zu können ist ungemein hilfreich, wenn es darum geht, herauszufinden, wie es dem anderen (mit mir) gerade geht. Kinder kann ich persönlich leichter lesen als Erwachsene, das brauchte mehr Übung.
Im miteinander Tanzen ist es genial, denn wir können unsere Emotionen, egal ob positiv oder negativ, nicht verstecken: Ich kann sehen, was mit dem anderen ist, wie es ihm geht. Das ist auch eines der Gründe, warum Menschen sich nicht trauen, auf eine Bühne zu gehen um dort zu sprechen oder zu tanzen: sie können sich nicht verstecken oder verbergen. Tanzend präsentierst du dich ungeschminkt und sichtbar für alle. Es ist nicht möglich sich hinter einer Fassade zu verstecken.
Das kann Angst machen, so „ohne Schutz“ sich zu zeigen, und doch gibt es viele Menschen, vermutlich mehr als wir erahnen, die gerne hübsch tanzen können würden, wenn es ihnen nur jemand wohlwollend zeigt und ihnen ohne Wertung den Raum dafür gibt.
Ein paar Zeilen zum Schluss dieses Artikels, weil es mir so wichtig ist:
Ich nehme wahr, dass die gegenwärtige Situation viele verschiedene Meinungen hervorbringt und z..B. in den Social Medien sich teilweise ganz ungeschminkt der ein oder andere Kommentar un-empathisch um die Ohren gehauen wird, dass diese mir nur so schlackern.
Meinungen darf man haben, so viele man will, denn das haben wir für uns als Gesellschaft unlängst im Grundgesetzt verankert. Die Meinungsfreiheit besagt, dass, sofern ich nicht Volksverhetzung begehe oder zur Gewalt aufrufe, ich meinen kann, was ich will. Und wenn ich in der Wertung eines anderen eine miese und schitt Meinung habe, dann darf ich die haben, genauso wie jeder andere auch.
Dass es derzeit schwerer denn je (gefühlt vielen) fällt, eine Meinung von einem Faktum zu unterscheiden, ist dann wieder eine weitere Geschichte, da ist die Medienbildung gefragt. Durch dieses mediale Wirrwarr jedenfalls kann es leicht geschehen, dass wir uns grundsätzlich öfter falsch verstehen können oder weniger trauen, uns die eigene Meinung zu sagen.
Deswegen bitte ich dich von Herzen darum, einfach aufmerksam zu sein – mit deinen gewählten Worten, mit den Quellen, die du zu deiner Meinungsbildung nutzt und im Kontakt mit all deinen Mitmenschen (wenn sie sich trauen, dir ihre Meinung zu sagen). Man darf auch im übrigen darauf verzichten, sich eine Meinung anhören zu müssen – dann bitte mit der entsprechenden Höflichkeit.
Ich bin ein Kind der DDR – meine Eltern sah ich noch auf der Coach sitzen bei lauter Musik sich unterhaltend, weil klar, war, dass man bestimmte Sachen nicht mal in den eigenen vier Wänden laut aussprechen darf.
Weswegen ich hier daran erinnern möchte: Eine falsche oder richtige Meinung gibt es nicht, weshalb wir auch keine richtige und falsche Meinung haben können. Es sind eben Meinungen – das ist wie beim Geschmack, der fällt auch unterschiedlich aus und der kann sich ändern.
Aktuell sollte jeder eine Meinung haben dürfen, vor allem kritisch denken und sich mit deiner Meinung austauschen. Der Austausch kann aber nur dann gelingen, wenn wir uns aufmerksam der Meinung des anderen widmen und diese versuchen, vielleicht durch nachfragen, nachzuvollziehen. Nur im Austausch mit der Meinung anderer kann ich meine mir bilden, kann ich diese weiterentwickeln. Zahlen, Daten, Fakten können meine Meinung sicherlich auch nähren. Ja, und da sind wir aktuell stark gefordert, die verantwortungsvoll zu tun.
Mein Lieblingszitat, dass auf so viele Situationen in unserem Leben zutrifft:
„Ich muss nicht immer deiner Meinung sein Komma aber Ich werde alles dafür tun Komma dass du deine Meinung sagen kannst.“ (Voltaire)

Blog-AutorinHeidemarie A. Exner
Die TanzBotschafterin ist passionierte Tanzlehrerin, Dozentin und zertifizierte I-TP-Tanzpädagogin und arbeitet als solche den ganzen Tag mit großen und kleinen und großen mit kleinen Menschen zusammen, um ihnen die bestmöglichsten Voraussetzungen zu schaffen, um ins Tanzen zu kommen und dadurch zu Leuchten. Mehr über sie erfährst du HIER